„Armutszeugnis für die Bildungspolitik“

| Kategorie: Kategorie: Interview | 4 Minute(n) Lesezeit

Der jetzt veröffentlichte Bildungsmonitor zeigt: Die Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz können bei ihren Leistungen im Ländervergleich weiter nicht aufholen. Das Abschneiden der Viertklässler lässt die Bildungs-Obfrau der CDU-Landtagsfraktion und stellvertretende Landesvorsitzende, Jenny Groß, erschrocken zurück: Sie spricht von einem Armutszeugnis für die rheinland-pfälzische Bildungspolitik. „Orthografie, Lesen und Zuhören – da ist noch massig Luft nach oben“, zeigt sie auf. „Mathematik, Biologie und Chemie – auch hier können unsere Schülerinnen und Schüler nicht wirklich aufholen.“ Wir haben mit der CDU-Bildungspolitikern gesprochen: Was läuft schief an den Schulen im Land? Und was muss sich dringend ändern?

Frau Groß, wie erklären Sie sich, dass unsere Schülerinnen und Schüler im Vergleich weiter so schlecht abschneiden?

Die rheinland-pfälzische Bildungspolitik geht seit Jahren einen falschen Weg. Anstatt mehr vollständig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer für alle Schulformen einzustellen, wird beispielsweise der Vertretungspool etwas ausgebaut. Dass dieser dann auch nach kurzer Zeit aufgebraucht ist, verwundert nicht. Wir benötigen dringend eine qualitativ und quantitativ bessere Personalausstattung! Ohne ausreichende Lehrkräfte, die sich gezielt um die Kinder kümmern und diese fördern können, ist die Grundsteinlegung für Lesen, Schreiben und Rechnen sehr schwer. Wir brauchen ein ganzheitliches Konzept der Bildungsförderung, von unseren Kleinsten an bis zum Abitur, der Ausbildung oder dem Studium.
Auch mangelt es an kleineren Klassen, denn es ist bekannt, wenn weniger Kinder in einer Klasse sind, umso intensiver und individueller erfolgt eine Förderung und Forderung, und beides braucht es in der Schule. Ebenso muss auch darüber nachgedacht werden, wieder verbindliche Abschlussprüfungen für alle Schulformen einzuführen und die Lehrpläne zu entrümpeln.

Jenny Groß MdL

Spielt bei den Ergebnissen der Studie nicht auch die Corona-Pandemie eine Rolle?

Klar, die Studie ist in einer Zeit durchgeführt worden, wo wir uns inmitten der Pandemie befanden. Die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Lehrkräfte, waren mit noch nie dagewesenen Herausforderungen konfrontiert, Homeschooling gelang oftmals nicht, da auch die Lernplattformen des Landes nicht klappten. Ich bin mir sicher, dass wir die finalen Auswirkungen der letzten zwei bzw. drei Jahre erst noch spüren werden.
Schon jetzt ist allerdings klar, dass das Lese- und Schreibverständnis ebenso unter der Pandemie gelitten hat, wie soziale Kompetenzen.
Die Schulkinder müssen nun die Möglichkeit erhalten, das Verpasste nachzuholen bzw. sich den Unterrichtsstoff anzueignen. Da hilft eine Woche „Ferien- oder Sommerschule“ bei der Aufarbeitung der Probleme nicht, schon gar nicht, wenn der „Unterricht“ von nicht vollständig ausgebildeten Lehrkräften durchgeführt wird und die Nachfrage deutlich abgenommen hat.

Wie könnten Schülerinnen und Schüler denn aus ihrer Sicht denn besser unterstützt werden?

Wir brauchen zum einen mehr Lehrkräfte und mehr Planstellen, um in kleineren Klassen lernen und arbeiten zu können bzw. in Intensivgruppen Lerndefizite gezielt aufzuarbeiten. Langfristig gesehen benötigen wir mehr Planstellen, um eine Unterrichtsversorgung von mindestens 105 Prozent gewährleistet zu können.
Neben dem Unterricht muss der Digitalisierung und neuen Lernmethoden mehr Beachtung geschenkt werden. Hier wünsche ich mir von der Landesregierung mehr Unterstützung, sodass jedes Schulkind ein digitales Endgerät erhält und es damit umgehen und arbeiten kann, genauso wie die Lehrkräfte und das Schulpersonal. Die Lernplattformen und -systeme müssen funktionieren und können nicht mehr solch gravierende Aussetzer haben, wie zu Beginn der Pandemie zum Beispiel.
Immer wichtiger im heutigen Schulalltag wird zudem die Schulsozialarbeit und die Schulpsychologische Unterstützung. Schule benötigt Schulsozialarbeit, unabhängig von der Schulform, der Klassenstufe oder dem Alter. Die mentale Gesundheit der Kinder muss ebenso im Fokus stehen, wie der Unterricht selbst.

Die CDU macht sich schon lange für die frühkindliche Bildung stark. Welche Maßnahmen sind da besonders wichtig?

Bildung beginnt nicht erst mit der Grundschule, sondern schon bereits in der Kita. Daher müssen wir schon dort ansetzen und gezielt fördern bzw. helfen, wo es nötig ist. Die Schuleingangsuntersuchungen sind für uns ein guter Start, um zum Beispiel den Übergang zwischen Kita und Schule zu erleichtern. Auch können so früh mögliche Defizite erkannt werden, bei denen Fachkräfte dann entsprechend gegensteuern oder unterstützen können. Grundsätzlich muss der Übergang von Kita zur Grundschule verbessert werden. Sprache und Motorik sind nur zwei Bereiche von vielen, denen mehr Beachtung für die Schullaufbahn geschenkt werden muss. Wir benötigen verbindliche Sprachstandserhebungen.
Darunter zählen für uns beispielsweise auch die Sprachförderkräfte, die einen essentiellen Beitrag in unseren Kitas leisten. Doch genau diese gibt es bald nicht mehr, die Aufgabe soll im Alltag integriert werden und es gibt keine gesonderten Stellen mehr.
Sprache ist nun mal der Schlüssel zur Welt und sie ist eine entscheidende Voraussetzung für den Bildungserfolg.
Wenn wir uns das ein Jahr alte Kita-Gesetz anschauen, muss auch hier dringend nachgebessert werden. Verbände und Erzieher schlagen seit mehr als einem Jahr Alarm und beklagen die neuen Regelungen, die schlichtweg nicht umsetzbar sind und zu mehr Problemen in den Kindergärten führen, wie noch vor der Einführung. Und auch hier mangelt es erheblich an Personal- und Kitaplätzen.

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