„Die viel zitierte Zivilcourage stellen wir kaum fest“
Die Tat von Kusel erschüttert die Polizeifamilie. Sind solche Angriffe überhaupt zu verhindern? Und welche Schlussfolgerung muss man für die Sicherheit der Polizistinnen und Polizisten ziehen? Wir sprachen darüber mit Thomas Meyer, dem Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft.
Kann man solche Szenarien wie in Kusel überhaupt verhindern?
Nach dem, was wir bisher wissen, ist die Wahrscheinlichkeit, einen solchen brutalen Angriff zu verhindern, dem man unvorbereitet begegnet, äußerst gering. Man muss die Ermittlungen abwarten, um weitere Schlüsse und Lehren daraus ziehen zu können. Die Polizei Rheinland-Pfalz ist gut ausgerüstet, aber gegen gezielte Kopfschüsse hilft die beste Einsatzausrüstung leider nicht.
Generell: Sinkt die Hemmschwelle gegenüber Einsatzkräften?
Es ist nicht nur kein offenes Geheimnis, sondern eine statistisch belegte Wahrheit, dass die Hemmschwelle, sich gegenüber Polizeikräften im Speziellen, aber auch gegenüber sonstigen Einsatzkräften von Feuerwehr und Rettungsdienst respektlos zu verhalten, in weiten Teilen der Bevölkerung gesunken ist. Verbale Attacken gehören beim polizeilichen Gegenüber und sogar unbeteiligten Passanten offenbar mittlerweile zum „guten“ Ton. Dazu kommen insbesondere vielfach Solidarisierungseffekte aus den sozialen Netzwerken hinzu, wodurch sich manche Mitbürger und Mitbürgerinnen noch bestätigt fühlen und sich andere animiert fühlen, dabei mitzumachen. Die viel zitierte Zivilcourage, sich auch hier für „Freund und Helfer“ dagegen zu stellen, stellen wir kaum fest.
Was sind Ihre Forderungen an die Politik?
Wir werden es leider in unserer Gesellschaft nicht erleben, dass wir eine gemeinsame Wertevorstellung vom Umgang von Bürger und Polizei leben. Die Basis dafür wird jedoch bereits im Elternhaus, in der Kita und in der Schule gelegt. Hinzu kommt das „Monster“ Internet, welches scheinbar unkontrollierbar diese Basis maßgeblich negativ beeinflusst. Die Hauptaufgabe von Polizei und Sicherheitsbehörden liegt in der Prävention. Es ist unabdingbar, dass Politik die Grundlagen dafür schaffen muss, dass der Staat die Deutungshoheit im globalen Digitalisierungsprozess gewinnt und der Polizei die rechtlichen Mittel an die Hand gibt, um dem Auftrag, Straftaten zu verhindern, gerecht werden zu können. Wir müssen anerkennen, dass wir hier nur mit den Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz ein Stück in Richtung „vor die Welle“ vorankommen werden. Darüber hinaus wird es selbstverständlich auch nach dieser schrecklichen Tat zu Denkprozessen kommen müssen, wie der Staat seine Polizisten und Polizistinnen in Zukunft noch besser zu schützen gedenkt.