„Wir müssen die Wähler in deren Lebenswirklichkeit abholen“
Herr Zimmer, in der CDU ist viel in Bewegung, auch in Rheinland-Pfalz. Derzeit werden Strukturen mit Hilfe eines externen Beraters durchleuchtet. Wo stehen wir in der Analyse?
Wir sind mittendrin. Es geht nicht nur darum, mal eben auf ein Organigramm zu schauen und daraus Schlüsse zu ziehen. Die Analyse umfasst alle Ebenen der Partei – vom Orts- bis hin zum Landesverband. Dabei geht es um organisatorisch-strukturelle Fragen. Wir werden uns auch damit beschäftigen, wie wir Politik machen, welche Politik wir machen, wie wir übereinander und miteinander sprechen. Unser Entwicklungsprozess wird sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken: Vor uns liegt noch ein langer Weg.
Die CDU Rheinland-Pfalz hat ihre Mitglieder befragt. Was sind die wesentlichen Erkenntnisse?
Ein Teil der Ergebnisse deckt sich mit dem, was wir aus dem Bauch heraus schon wissen oder geahnt haben. Unser Informations- und Kommunikationsfluss muss besser werden, und von der Ebene des Kreisverbandes aufwärts wollen die Mitglieder mehrheitlich stärker in Prozesse und Entscheidungen eingebunden werden, ob bei der Politikformulierung und in Personalfragen. Was mich aber überrascht, ist dann doch die Tatsache, dass nur knapp die Hälfte der Umfrageteilnehmer angegeben hat, aktiver mitarbeiten zu wollen. Das erscheint auf den ersten Blick paradox, zeigt mir aber, dass wir für eine innerparteiliche Mitarbeit attraktiver werden müssen.
Wir müssen darauf achten, dass es nicht zu einer Aushöhlung unserer repräsentativen Demokratie kommt.
Es gibt den Wunsch an der Basis nach Mitgliederbeteiligung bei künftigen Personalentscheidungen sowohl im Land als auch im Bund. Wie könnte eine solche Beteiligung aussehen?
Es stehen immer wieder verschiedene Begrifflichkeiten im Raum. Mitgliederumfrage, Mitgliederbefragung, Mitgliederentscheid – was für den Laien austauschbar erscheint, stellt uns aber vor konkrete rechtliche Herausforderungen. Während die Satzung uns heute schon erlaubt, Mitgliederbefragungen, auch zu Personalfragen, durchzuführen, sieht das beim Mitgliederentscheid anders aus. Das ist nämlich keine Satzungsfrage, hier gibt es klare gesetzliche Vorgaben aus dem Parteiengesetz, die wir erfüllen müssen. Der Vorstand wird von einem Parteitag gewählt. Ob man den Parteitagsdelegierten nun, in einem wie auch immer gearteten Prozess, Handlungsempfehlungen mitgibt, oder anders verfahren will, darüber wird intensiv beraten und diskutiert werden müssen. Ohne Frage, die Einbindung von Mitgliedern hat an Bedeutung gewonnen und ist auch sehr wichtig. Dennoch müssen wir darauf achten, dass es nicht zu einer Aushöhlung unserer repräsentativen Demokratie kommt. Sie hat sich bewährt und auch ihren Sinn, denn auch sie schafft Wettbewerb. Mitglieder, die der Auffassung sind, dass die Delegierten, die sie in den Kreis- und Bezirksverbänden wählen, ihre Haltung nicht vertreten, müssen entweder selbst für ein Delegiertenamt kandidieren oder einen alternativen Personalvorschlag machen. Dabei kann man Erfolg haben oder, und das ist der Wesenskern von Demokratie, scheitern. Auch das ist Politik, und das müssen wir meines Erachtens wieder stärker miteinander einüben.
Bildet die CDU in ihren Inhalten noch die Lebenswirklichkeit der Menschen ab – und wie kann die CDU wieder attraktiver für junge Menschen werden?
Wir sind zum Glück immer noch sehr breit aufgestellt, wobei es bei den jüngeren Jahrgängen in der Tat besser aussehen könnte. Die Mehrheit unserer Mitglieder macht nicht hauptamtlich Politik, sondern steht, wie jede andere Bürgerin und jeder andere Bürger dieses Landes auch, mitten im Leben und damit in der Wirklichkeit. Und genau da müssen wir als Politik die Wählerinnen und Wähler abholen – in deren Lebenswirklichkeit. Ob in einem kleinen Dorf in der Eifel oder in der Landeshauptstadt Mainz, unter Arbeitnehmern, Unternehmern, Rentnern, Pensionären, Schülern und Studenten – überall finden Sie Christdemokraten, die ihr Leben meistern und klare politische Haltungen haben. Da sind wirtschaftsliberale Mitglieder dabei genauso wie diejenigen, denen die sozialen Aspekte wichtiger sind. Wir haben sehr progressive und pragmatische denkende Mitglieder auf der einen, und fest stehende, wertkonservative Mitglieder auf der anderen Seite. Wenn wir es endlich schaffen, diesen breiten Erfahrungsschatz in allen Facetten gleichwertig in die Formulierung von Politik im konstruktiven Streit innerhalb der Partei einzubringen, bin ich mir sicher, dass wir auch für junge Menschen attraktiv sein können.
Ich möchte hören, was ihnen wichtig ist.
In dieser Woche gehen die Kreisgeschäftsführer der Landes-CDU zwei Tage in Klausur. Was sind die Themen?
Unser Schwerpunkt wird die Geschäftsstelle der Zukunft sein. Wie gestalten wir Arbeitsabläufe und Prozesse so, dass die Kolleginnen und Kollegen von organisatorisch-administrativer Arbeit weitgehend entlastet werden, damit mehr Zeit für die Arbeit mit den Mitgliedern und das politische Geschäft bleibt? Welche Aufgaben kann man effizienter vor Ort erledigen, welche kann man auch extern vergeben? Im Jahr 2021 muss keine Geschäftsführerin und kein Geschäftsführer mehr tagelang in der Geschäftsstelle sitzen und tausende Briefe von Hand eintüten. Dafür ist die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen, die ihre Verbände und die Mitglieder häufig wie Familienmitglieder kennen, zu wertvoll. Wir wollen aber auch darüber sprechen, wie es aus ihrer Sicht mit der CDU weitergehen kann und muss. Unsere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer vor Ort sind selbst auch Mitglieder, dazu Bindeglieder und Scharniere zwischen den Ebenen: Ich möchte hören, was ihnen wichtig ist.