„Oft geht Kosteneffizienz vor Patientenwohl“

| Kategorie: Kategorie: Allgemein | 3 Minute(n) Lesezeit

Der deutsche Pflegerat fordert 4000 Euro monatlich für Pflegekräfte – eine Forderung, die auch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unterstützt wird. Wie die Beschäftigten in der Pflege darüber denken – darüber sprachen wir mit Siegrid Loris, Krankenschwester am Klinikum Worms und Vorsitzende der CDU-Fraktion im rheinhessischen Osthofen.

Frau Loris, im vergangenen Corona-Jahr wurde viel über die Situation der Pflege gesprochen – und viel versprochen. Was hat sich in dem Jahr für sie verändert?

Ehrlich gesagt fast gar nichts. Es gab die Corona-Prämie, immerhin eine Anerkennung für die Kolleginnen und Kollegen. Die Personalsituation in den Krankenhäusern bleibt aber weiter angespannt. Viele Pflegerinnen und Pfleger hören wegen der hohen Belastung auf, mancher kehrt in seinen vorherigen Beruf zurück. Die Patienten werden unzufriedener, weil für sie die Zeit fehlt.

Um gutes Personal zu bekommen und zu halten, muss man gute Löhne zahlen. Was halten Sie von der Forderung des Pflegerats, 4.000 Euro monatlich zu zahlen?

Wenn Sie bedenken, dass die Einstiegsgehälter bei 2.400 Euro liegen, dann wäre das schon mal nicht schlecht. Wir leisten mehr als eine Bürokauffrau mit Personalverantwortung, wir verantworten ja immerhin für Menschenleben. Ich bin zudem der Meinung, dass Beschäftigte, die in der Pflege, bei der Feuerwehr oder bei Rettungsdiensten arbeiten, früher in Rente gehen sollten, abschlagsfrei. Beispielsweise mit 64. Es ist für uns klar: Wer mit 60 in der Pflege arbeitet und nicht auf dem Zahnfleisch geht, hat seinen Job nicht richtig gemacht.

Ein Drittel der Auszubildenden in der Pflege brechen ab. Woran liegt das?

Weil sie voll eingeplant werden. Viele sind mit der hohen Belastung überfordert. Die Kolleginnen und Kollegen haben kaum Zeit etwas zu erklären oder zu zeigen, denn dann können sie den Stationsablauf nicht bewältigen.Es bleibt also zu wenig Zeit, die jungen Menschen auszubilden, denn der Patient geht ja immer vor. Eine ordentliche Ausbildung auf Station ist von den Kollegen oft gar nicht mehr zu leisten, weil die Besetzung mit Fachkräften kaum gewährleistet ist. Da wird die Praxisanleiterin als Kopf gezählt und im extremen Fall die Schüler eben auch. Nur damit die Zahlen stimmen. Die Qualität leidet entweder „am Patienten“ oder in der Ausbildung.

Die Zahl der Pflegebedürftigen dürfte in den kommenden Jahren explodieren. Gleichzeitig fehlt es an Fachkräften. Was tun?

Es reicht nicht, wenn Entscheider ins Ausland fahren und dort um Pflegekräfte werben. Wir brauchen auch ganz praktische Hilfestellung für die ausländischen Kräfte, wenn diese in Deutschland sind. Etwa bei der Wohnungssuche oder wenn es beispielsweise um Mobilfunkverträge und dergleichen geht. Die Landesregierung organisiert diese Auslandsaquirierung und unterstützt diese. Aber wir bräuchten in den Einrichtungen Ansprechpartner genau für diese Personengruppe. Das Erlernen der deutschen Sprache bleibt weiter der Schlüssel auch zur beruflichen Integration. Aber wer sich nicht wohlfühlt bleibt nicht lange, und die Bürokratie und Komplexität des Alltags ist für Migranten oft zu viel. Das sollte man ebenso unterstützen.

Was sind Ihre Forderungen an eine künftige Bundesregierung?

Wir brauchen einen festen Pflegeschlüssel, das heißt wieviel Patienten es pro Mitarbeiter geben darf. Und das ohne Rücksicht auf Verluste, denn es geht um das Wohl der Patientinnen und Patienten. Es muss vielmehr aus deren Blickwinkel agiert werden. Leider werden in Deutschland oft Entscheidungen getroffen, die das Patientenwohl nicht berücksichtigen. Da geht es nur noch um Kosteneffizienz. Zudem würde ich mir wünschen, dass Schüler stärker Kontakt zu solchen Berufen haben. Pflege, Rettungsdienst, Feuerwehr. Etwa über Projektwochen oder als Wahlpflichtfächer. Jeder Neuntklässler sollte in diesen Bereichen ein Praktikum machen. Warum nicht „Ersthelfergruppen“ in jeder Schule einrichten? Das wäre was.

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