Mahnende Wort des CDU-Urgesteins
Mahnende Wort von Wolfgang Schäuble zur konstituierenden Sitzung des Bundestag: „Wir dienen nicht dem Eigeninteresse einer gesellschaftlichen Gruppe, sondern der Gesellschaft!“, rief er den 736 Abgeordneten des 20. Bundestags zu – darunter auch neun CDU-Abgeordnete aus Rheinland-Pfalz.
736 Mitglieder umfasst der neue Deutsche Bundestag. Sechs Fraktionen und zwei einzelne Abgeordnete sind vertreten. Bärbel Bas (SPD) ist neue Präsidentin des Bundestags, für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist Yvonne Magwas neue Vizepräsidentin. Das Präsidium wird komplettiert durch Aydan Özoguz, Claudia Roth, Wolfgang Kubicki und Petra Pau. Wolfgang Schäuble eröffnete als Alterspräsident die erste Sitzung des neuen Bundestags. Seit 1972 ist er Mitglied des Hohen Hauses und damit mit Abstand dienstältester Bundestagsabgeordneter. In seiner Eröffnungsrede betonte Schäuble die Bedeutung des Deutschen Bundestags – für Deutschland und Europa. Und er macht deutlich: „An jedem einzelnen von uns hängt die Würde dieses Hauses.“
„Die Bürgerinnen und Bürger schauen auf uns. Ihre Erwartungen an das Parlament sind groß. Wir sollten alles tun, um dem gemeinsam gerecht zu werden“, ermahnte Schäuble seine Kolleginnen und Kollegen im Bundestag. „Wir dienen nicht dem Eigeninteresse einer gesellschaftlichen Gruppe, sondern der Gesellschaft!“ Schäuble weiter: „Wir müssen bereit sein, den Menschen etwas zuzumuten. Nicht nur Antworten geben, die gern gehört werden, sondern Lösungen entwickeln und zur Diskussion stellen für die Aufgaben, die wir als aufdrängend erachten. Und davon die Bürger zu überzeugen. Dazu verpflichtet uns unser Mandat.“
Hier ist der Ort, an dem wir streiten dürfen, an dem wir streiten sollen.
Er betonte dazu ausdrücklich: „Konsens wird in diesem Haus nicht die Regel sein. Und das sollte es auch nicht. Hier ist der Ort, an dem wir streiten dürfen, an dem wir streiten sollen. Fair und nach Regeln. Leidenschaftlich und mit einer Gelassenheit, die einer erregten Öffentlichkeit Beispiel geben kann.“ Alle Abgeordneten sollten sich immer wieder um den Reiz einer konstruktiven Debatte bemühen.
An die Neuen gerichtet versprach der Alterspräsident: Das neue Mandat ist eine „außergewöhnlich erfüllende Arbeit“, die gleichzeitig strapaziös ist und sehr viel Zeit erfordert. „Die Arbeit auf offener Bühne verlangt, das Private zu schützen.“ Erfolg habe, wer anständig bleibe. „Wir vertreten das Volk. Wir vertreten die legitimen Interessen der Wähler. Aber wir haben immer auch das Gemeinwohl im Blick zu behalten“, so Schäuble. Jeder Abgeordnete vertrete das ganze Volk. Dazu müssten alle Abgeordneten die Vielfalt der Gesellschaft vor Augen haben. Die Vertretung erfolgt nicht durch die Person, sondern durch die Politik. Es gehe immer um den Zusammenhalt der Bevölkerung.
Schäuble warnte davor, immer mehr Entscheidungen direkt an die Menschen zu delegieren oder auf Meinungen zu reagieren. Der Bundestag sei gut beraten, sich mit der direkten Beteiligung kritisch zu befassen, sagt er. „Mehr Mitsprache heißt nicht automatisch mehr Partizipation.“ Die repräsentative Demokratie sorge mit Mehrheiten für mehr Akzeptanz als Voten einzelner Gruppen. Dazu muss das Parlament seine Rolle selbstbewusst wahrnehmen. Schon vorab hatte Schäuble die Forderung nach einer effektiven Wahlrechtsreform formuliert: „Sie duldet ersichtlich keinen Aufschub. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“ Dazu brauche es eine Einigung aller Fraktionen.
„Ich habe in diesen vier Jahren als Bundestagspräsident ein hohes Maß an Respekt und Unterstützung erfahren“, erklärt Schäuble in einem persönlichen Rückblick zum Abschluss. „Dafür bin ich dankbar. Und ich erbitte und erhoffe es auch für meine Nachfolgerin, die wir heute in dieses Amt wählen.“