Brauchen wir eine Impfpflicht?

| Kategorie: Kategorie: Pro & Contra | 3 Minute(n) Lesezeit
(c) CDU/C. Lang

Das Impftempo in Deutschland ließ zunehmend nach – der Weg zur Spritze wird allerorten deshalb weiter vereinfacht. Mobile Teams und Impfbusse sind im Einsatz, die Zentren arbeiten auch ohne Termine. Die Impfquote in Rheinland-Pfalz liegt aktuell bei rund 63 Prozent Erstimpfungen und rund 54 Prozent vollständig geimpfter Personen. Doch reichen die Bemühungen aus? Wir haben Erwin Rüddel, MdB und Vorsitzender im Gesundheitsaussschuss des Bundestages, und Dr. Peter Enders, Arzt und Landrat im Kreis Altenkirchen, um ihre Meinung zur aktuell debattieren Impfpflicht gebeten.

Pro

„Eine Impfpflicht kann die Ultima Ratio sein – ich schließe diesen Weg nicht aus.“

Dr. Peter Enders, Landrat im Kreis Altenkirchen

„Nach eineinhalb Jahren der Pandemie muss es darum gehen, die Einschränkungen für geimpfte Personen schnellstmöglich zu beenden. Die Menschen wollen ihre Normalität zurück, aus vielerlei Gründen. Und dazu ist das Impfen der einzige Weg raus aus der Pandemie. Deshalb müssen wir alle Anstrengungen vornehmen, um die Menschen davon zu überzeugen, dass sie wirken, vor schweren Verläufen schützen – und auch das Risiko minimieren, andere anzustecken. Die Nebenwirkungen der zugelassenen Impfstoffe stehen in keinem Verhältnis zum Risiko eine Covid-Infektion.

Wer sich trotz dieser gewichtigen Argumente nicht impfen lassen möchte, der muss sich darauf einstellen, dass es für ihn erneute Einschränkungen geben wird. Denn wer sich gegen eine Impfung entscheidet, der gefährdet sich und andere. Als Arzt ist es für mich deshalb nur folgerichtig, dass – abhängig von der Entwicklung der Infektionszahlen – Menschen ohne Impfung unter Umständen Restaurants, Kinos oder andere Einrichtung nicht besuchen dürfen.
Diese Minderheit kann nicht erwarten, dass die Mehrheit wegen ihnen wieder in den Lockdown geht – mit schweren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und psychosozialen Folgen.

Eine Impfpflicht kann die Ultima Ratio sein – ich schließe diesen Weg nicht aus. Wir werden ihn, das ist meine Meinung, gehen müssen, wenn das Impftempo weiter stockt und alle Aufklärung und alles Aufsuchen nicht ausreicht.Die Bemühungen sind wichtig und gut – wir werden sehen, ob sich so in den kommenden Wochen genügend Menschen in Deutschland impfen lassen.

Wenn das nicht passiert, müssten dann meiner Meinung nach in einem ersten Schritt Beschäftigte in Pflegeberufen oder auch Lehrkräfte zur Impfung verpflichtet werden. Hier ist doch die Verantwortung, andere zu schützen, besonders hoch!
In allen Teilen der Welt warten die Menschen sehnsüchtig auf die rettenden Impfstoffe, es entstehen immer neue Virusvarianten – und wir lassen die Impfdosen liegen? Nein, das darf nicht passieren, davon bin ich überzeugt.“

Dr. Peter Enders ist Facharzt für Anästhesiologie, seit fast 38 Jahren ärztlich tätig, war von 1998 bis 2019 Abgeordneter im rheinland-pfälzischen Landtag und in dieser Zeit viele Jahre lang Vorsitzender des Gesundheitsausschusses. Seit zwei Jahren ist er Landrat im Kreis Altenkirchen.

Contra

„Eine generelle Impfpflicht braucht es nicht. Jeder Arbeitgeber muss sich aber die Frage stellen, ob Ungeimpfte in Schulen unterrichten können oder Kranke und Pflegebedürftige versorgen dürfen.“

Erwin Rüddel MdB

„Wir haben den Menschen versprochen, dass es keine allgemeine Corona-Impfpflicht gibt. Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2020 zeigt, dass knapp 80 Prozent der Befragten Impfungen im Allgemeinen befürworten. Die aktuelle Impfkampagne gegen Corona verlangsamt sich zwar, aber ca. 80 Prozent der Impffähigen sind mittlerweile mindestens einmal geimpft.

Auch Menschen, die sich prinzipiell impfen lassen wollen, aber ihre freie Entscheidung schätzen, könnten durch eine Impfpflicht eingeschränkt werden. Wir müssen weiter werben und überzeugen. Wir brauchen jetzt sehr flexible, zugehende und niedrigschwellige Impfangebote. Impfpflicht würde zu Widerstand in der Bevölkerung führen. Studien zeigen, dass die Verärgerung über eine Corona-Impfpflicht so groß sein könnte, dass die Befragten sogar andere Impfungen weniger wahrnehmen könnten.

Wenn alle ihre Impfchance hatten, müssen wir konsequent gegenüber denen sein, die sich der Solidarität in der Gesellschaft verweigern und sich nicht impfen lassen wollen. Impfen ist Eigenschutz und gelebte Solidarität gegenüber denen, die sich nicht impfen lassen können. Geimpfte sollten ihre Freiheiten so schnell wie möglich zurückerhalten. Ein erneuter Lockdown kann und muss verhindert werden. Sollte er dennoch kommen, so kann er nur für Ungeimpfte gelten.
Eine generelle Impfpflicht braucht es nicht. Jeder Arbeitgeber muss sich aber die Frage stellen, ob Ungeimpfte in Schulen unterrichten können oder Kranke und Pflegebedürftige versorgen dürfen. Die schwächsten in der Gesellschaft, die sich teils nicht impfen lassen dürfen oder deren Immunisierung schwächer ist, haben ein Recht auf Schutz vor einer Infektion.“

Erwin Rüddel ist seit 2009 Mitglied des Bundestages und vertritt den Wahlkreis Neuwied-Altenkichen. Er leitet dort den Ausschuss für Gesundheit.

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