„Wir brauchen ein glaubwürdiges Abschreckungspotenzial“

| Kategorie: Kategorie: Aus der Fraktion | 3 Minute(n) Lesezeit

Ein Artikel über die Bundeswehr mit der Überschrift „Bedingt abwehrbereit“ löste 1962 die sogenannte Spiegel-Affäre aus. Sechs Jahrzehnte später, angesichts des Putin-Überfalls auf die Ukraine, muss man sich diese Frage neu stellen: Wie wehrfähig ist unser Land? Wir sprachen darüber mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Marlon Bröhr. Er ist Mitglied des Verteidigungsausschusses. 

Herr Bröhr, wie wehrfähig ist unser Land?

Da muss man nur das Zitat des Heeresinspekteurs Alfons Mais nehmen, der in deutlichen Worten die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr kritisiert hat. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Wehrfähigkeit erhebliche Mängel aufweist. Als die Sowjetunion vor rund 30 Jahren zusammenbrach, sprach der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama vom „Ende der Geschichte“. Es war die Rede von der sogenannten Friedensdividende, Entlastung des Staatshaushaltes durch Senkung der Rüstungs- und Verteidigungsausgaben und Wohlstandsgewinn im Gegenzug. Das führte dazu, dass eine sehr leistungsfähige Bundeswehr „niedergespart“ wurde. Spätestens 2014, mit der Annexion der Krim durch Putin, hätten alle aufwachen müssen. Schon mit dem Einmarsch russischer Truppen in Tschetschenien und Georgien war abzusehen, dass die militärischen Konflikte auf dem europäischen Kontinent nicht der Vergangenheit angehören.

Der Bundeswehr wurde in den vergangenen Jahren zu wenig Priorität beigemessen?

Die Regierung hat die Trendwende versucht. Die Bundeswehretats sind zwar in den vergangenen Jahren gewachsen, aber es wurde dem Verteidigungshaushalt insgesamt zu wenig Priorität beigemessen. Und da müssen auch wir als CDU uns an die eigene Nase fassen. Wir erleben jetzt – leider – eindrucksvoll, dass Sicherheit kein Geschenk ist, das vom Himmel fällt. Sie muss immer wieder erkämpft werden. Wir brauchen dazu ein glaubwürdiges Abschreckungspotenzial. Die  Amerikaner sagen zurecht, die Europäer müssen in der Lage sein, ihren Kontinent selber zu verteidigen, ohne sich hinter dem großen Partner zu verstecken.

Die 100 Milliarden Euro, die der Kanzler jetzt verkündet hat, werden aber nur mittelfristig wirken. Wie wird das Geld eingesetzt?

Die 100 Milliarden Euro sind ein wichtiges Signal, dass die Bundeswehr künftig einen anderen Stellenwert hat. Der Betrag ist das eine, die sinnvolle Verausgabung ist das andere. Noch haben wir von der Bundesregierung keine Details, wie das umgesetzt wird. Das fordern wir jetzt ein.

War es ein Fehler, die Wehrpflicht abzuschaffen?

Damals ging es um die Wehrgerechtigkeit. Es wurden nur noch sehr, sehr Wenige eines Jahrgangs einberufen. Entsprechend deutlich war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das war eine Gerechtigkeitsproblematik mit der Folge, dass die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde. Man könnte sie nicht von heute auf morgen wieder einführen, weil die Strukturen fehlen. Es existieren keine Kreiswehrersatzämter mehr, Ausbildungskasernen wurden geschlossen. Wir könnten nicht mal die Rekruten unterbringen. Die Unionsfraktion hat sich darauf verständigt, jetzt nicht hektische Entscheidungen angesichts des Kriegs zu treffen. Wir sind aber der Ansicht, dass es sich lohnt, das noch einmal anzuschauen, wenn sich die weltpolitische Lage hoffentlich wieder etwas beruhigt hat. Dann sollten wir seriös und in Ruhe das Für und Wider abwägen. Da geht es sicherlich nicht nur um den militärischen Beitrag, sondern auch um eine allgemeine Dienstpflicht, um Katastrophenschutz und soziale Engagements, grundsätzlich darum, einer jungen Generation mit den Worten Kennedys zu sagen: Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt. Es wird aber jetzt keine Entscheidung übers Knie gebrochen.

Durch die Wehrpflicht wurde die Bundeswehr auch in die Familien, in die Gesellschaft hineingetragen. Stichwort Image der Bundeswehr: Wie kann man das verbessern?

Das Image der Bundeswehr hat sich nach meiner Beobachtung in den vergangenen zwei Jahren erheblich verbessert. Die Leute haben mitbekommen, was die Bundeswehr in der Coronazeit für die Gesellschaft geleistet hat. Die eindrucksvollen Einsätze an der Ahr haben sicher auch zu einem besseren Image beigetragen. Wenn man sieht, was den Menschen in der Ukraine Schlimmes widerfährt, dass es Menschen gibt, die bereit sind, unter Einsatz ihres Lebens Frieden, Freiheit und Wohlstand zu verteidigen, dann ist das eben kein ganz normaler Job. Diese Menschen verdienen Anerkennung.

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