„Das geht vielen an die Psyche“

| Kategorie: Kategorie: Vor Ort | 3 Minute(n) Lesezeit

1472 Wahlmänner und -frauen wählten vor fast zwei Wochen den Bundespräsidenten, darunter auch die Intensivkrankenschwester Conny Nikolay aus Linz (Kreis Neuwied). Sie wurde von der CDU-Landtagsfraktion, auf Initiative der Abgeordneten Ellen Demuth, für die Bundesversammlung vorgeschlagen. Wir sprachen mit Nikolay über den aufregenden Tag – und den aufreibenden Alltag im Krankenhaus.

Frau Nikolay, die Wahl des Bundespräsidenten ist nichts Alltägliches. Welche Eindrücke nehmen Sie mit?

Das war ein großartiges Erlebnis mit bleibenden Eindrücken, das werde ich nicht vergessen. Hansi Flick saß vor mir, Wolfgang Schäuble hinter mir. Es war bereits dessen zehnte Bundespräsidentenwahl. Nach der Wahl rief er: ‚Wir wollen noch mal!‘ Das war natürlich als Scherz gemeint.

Sie sind Intensivkrankenschwester, haben viele Interviews im Vorfeld gegeben. Glauben Sie, dass die Teilnahme an der Bundespräsidentenwahl Ihrem Berufsstand etwas nützt?

Ich bin als Privatperson nach Berlin gefahren – und habe den Tag einfach mal genossen. Die Situation an den Intensivstationen ist ja hinlänglich bekannt.

Seit mehr als 30 Jahren arbeiten Sie auf der Intensivstation, seit 36 Jahren in der Krankenpflege. Wie belastend ist der Job?

Der Beruf ist körperlich und psychisch sehr anstrengend. Die Belastung ist schon enorm und hat in der Coronazeit noch einmal zugenommen. Wir haben viele Leute sterben sehen. Viele Patienten sind zu spät ins Krankenhaus gekommen. Da wurde alles getan, um Leben zu retten, und am Ende ist man dennoch machtlos. Das geht vielen an die Psyche, gerade jungen Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht so viel Berufserfahrung haben und vielleicht noch nicht so viel gesehen haben.

… und die Angehörigen konnten nicht zu den Patienten…

.. das war ein großes Problem. Wenn es gar keine Aussichten mehr gab, haben wir die Angehörigen schon zu den Patienten gelassen. Ein bisschen Menschlichkeit muss dann auch sein. Aber die Bedingungen waren schon sehr streng. Man muss dazusagen: Auch wir standen zu Beginn der ersten, zweiten Welle vor einer Situation, die uns völlig fremd war. Entsprechend hoch war der Sicherheitsaufwand, da haben sich manche Kollegen schon mal zwei Paar Handschuhe angezogen. Mittlerweile weiß man mehr über die Krankheit, und die Lage an den Krankenhäusern ist etwas entspannter.

Was bleibt von der Debatte um die Belastung gerade des Intensivpersonals? Der Bonus für Pflegebeschäftigte war sicher wichtig, aber wenn man sich in Ihrer Branche umhört, geht es nicht nur ums Geld …

Eine gute Bezahlung ist wichtig, aber nicht alles. Die Beschäftigten an den Intensivstationen brauchen auch gute Arbeitsbedingungen, und diese bekommen sie nur mit einer ausreichendem Personalausstattung. Den Personalnotstand gab es schon vor Corona, und die Intensivstation sind auch damals schon ‚voll‘ gelaufen. Die Pandemie kam sozusagen ‚oben drauf‘, sie hat es nicht besser gemacht. Durch die hohe Dauerbelastung springen immer wieder Leute ab.

Was kann die Politik tun?

Um junge Leute stärker für den Beruf zu gewinnen, sollte die Ausbildung zur Pflegefachkraft attraktiver werden. Sie ist eher allgemein gehalten, mit zu starkem Schwerpunkt auf der Pflege. Nicht missverstehen: Pflege ist wichtig. Aber die Ausbildung sollte sich noch stärker mit Krankheiten und den medizinischen Aspekten befassen. So wie es früher bei der Ausbildung zur Krankenschwester der Fall war. Mir nützt eine reine Pflegefachkraft auf der Intensivstation erst einmal nichts.

Was treibt sie an, diesen Beruf auszuüben?

Meine Leidenschaft für den Beruf fing tatsächlich schon mit fünf Jahren an. Meine Oma lag im Krankenhaus, meine Mutter besuchte sie täglich und ich durfte überall mit hin. Schon damals habe ich Krankenschwester werden wollen. Ich habe diesen Beruf immer gerne ausgeübt, auch heute noch. Unter den jetzigen Rahmenbedingungen wüsste ich aber nicht, ob ich es nochmal machen würde.

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