Rekonstruktion einer Jahrhundertkatastrophe

| Kategorie: Kategorie: Aus der Fraktion | 6 Minute(n) Lesezeit

In der kommende Woche wird die CDU im Landtag beantragen, dass zur Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet wird. In einer Pressekonferenz erläuterten Fraktionschef Christian Baldauf und der Obmann im Untersuchungsausschuss, Gordon Schnieder, das weitere Vorgehen. Hier die wichtigsten Punkte aus Sicht der Fraktion:

Das sagt die Verfassung

Bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses handelt es sich um ein Minderheitenrecht. Nach Artikel 91 der Landesverfassung hat die Einsetzung aufgrund des Antrags eines Fünftels der Mitglieder des Landtages zu erfolgen. Die CDU-Landtagsfraktion verfügt über die notwendige Stimmenzahl. Gleichwohl ist sie im Gespräch mit den anderen demokratischen Fraktionen, um zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Angesichts des dramatischen Umfangs dieser Katastrophe und des damit für die Menschen verbundenen Leids bedarf es eines breiten parlamentarischen Konsenses und Fundaments für die Arbeit des Untersuchungsausschusses.

Unterschied Untersuchungsausschuss und Enquete-Kommission

Ein Untersuchungsausschuss ist ganz auf die parlamentarische Kontrolle insbesondere des Regierungshandelns bzw. öffentlicher Stellen gerichtet. Er verfolgt eine gänzlich andere Zielrichtung als eine Enquete-Kommission. Denn er wird eingesetzt, um Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegen, zu untersuchen und dem Landtag hierüber Bericht zu erstatten. Dazu kann er Zeugen zur Vernehmung laden und externe Sachverständige anhören. Die Regelungen der Strafprozessordnung finden sinngemäß Anwendung.

Eine Enquete-Kommission hat einen grundlegend anderen Charakter. Sie dient der Vorbereitung von gesetzgeberischen Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte. Sie soll vorhandenes Wissen für die Beratungen und Entscheidungen des Landtages aufbereiten und bündeln. Im Unterschied zum Untersuchungsausschuss besteht die Enquete-Kommission daher sowohl aus Abgeordneten als auch aus externen Sachverständigen als feste Mitglieder.

Eines der größten Unglücke in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland

Bei der Flutkatastrophe der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 handelt es sich um eines der größten Unglücke in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Mindestens 134 Menschen haben ihr Leben verloren, Hunderte wurden zum Teil schwer verletzt, körperlich und seelisch. Ungezählte Opfer werden ihr Leben lang schreckliche, traumatisierende Bilder aus der Flutnacht in sich tragen.
Durch die Flutkatastrophe ist in einer einzigen Nacht die Heimat Tausender Menschen in den Wasserlawinen untergegangen. Viele Menschen haben alles verloren und konnten nur ihr nacktes Leben retten. Schon die Fernsehbilder sind erschütternd. Sie können aber das ganze Ausmaß des Grauens nicht vermitteln.

Das Ahrtal ist nicht wiederzuerkennen. Natur und Infrastruktur sind komplett zerstört. Häuser, Straßen, Brücken, Wasser- und Abwasserleitungen, Strom- und Gasversorgung, Kommunikationsinfrastruktur, Schienenwege, Schulen, Kitas, Arztpraxen, Einkaufsmöglichkeiten, Weinberge, Wirtschaftswege. Dies alles wiederaufzubauen, ist die größte Herausforderung der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Wie konnte das passieren?

Naturkatastrophen eines solch verheerenden Ausmaßes kannten wir bisher nur aus der Fernsehberichterstattung. Es stellt sich die Frage, wie in Deutschland, wie in einem hochmodernen und hochtechnisierten Industrieland, im Jahre 2021, eine solche Katastrophe mit so vielen Todesopfern geschehen konnte. Viele Fragen drängen sich auf. Und die wichtigste von allen lautet:
Wäre es möglich gewesen, mehr Leben zu retten? Diese Frage muss jeden politisch Verantwortlichen in Rheinland-Pfalz umtreiben. Das sind wir den Menschen im Ahrtal schuldig. Die Angehörigen der Toten und Vermissten, die Menschen in der Region, die ihre Heimat verloren haben – sie haben ein Recht darauf, zu erfahren, weshalb alles so gekommen ist.

Das Geschehene muss aufgearbeitet werden

Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt, dass Einigkeit über die Einsetzung einer Enquete-Kommission erzielt wurde, die die Grundlage für ein ganzes Paket an Maßnahmen legen soll. Dabei geht es in den unterschiedlichsten Bereichen vom Hochwasser- und Katastrophenschutz, über Warn- und Alarmierungsmechanismen und -strukturen bis hin zur Koordination von Einsatz- und Hilfskräf-ten darum, gemeinsam mit Fachleuten Handlungsanweisungen zu erarbeiten die einen besseren Schutz unserer Städte und Dörfer und natürlich vor allem der dort lebenden Menschen gewährleisten sollen.
Für eine tiefgehende ehrliche Aufarbeitung der Verantwortlichkeiten brauchen wir allerdings zusätzlich einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Nur dort manifestiert sich der unbedingte Wille des Landtags, die tragischen Ereignisse ehrlich aufzuarbeiten.

Die Öffentlichkeit, Bürgerinnen und Bürger, Rettungskräfte, Ehrenamtliche, Kommunal- und Landespolitiker, Medien, Nachrichtenredaktionen, haben ein Recht darauf, zu erfahren, welche Informationen im Vorfeld des Unglücks vorhanden oder nicht vorhanden waren, welche Handlungen, Maßnahmen Warnungen daraus abgeleitet wurden – oder auch nicht. Auf der Ebene der Lan-desregierung, ihrer nachgeordneten Behörden als auch bei allen sonstigen öf-fentlichen Stellen. Das soll und wird der Untersuchungsausschuss klären.

Natürlich kann das die Flut und ihre entsetzlichen Folgen nicht ungeschehen machen. Aber es ist unsere Pflicht, alles in unserer Macht Stehende dafür zu tun, dass die genannten Zusammenhänge aufgeklärt werden, damit sich eine solche Tragödie und der Tod so vieler Menschen, in Rheinland-Pfalz, in Deutschland, nicht wiederholt.

Der Einsetzungsantrag im Einzelnen

Es steht in einem besonderen öffentlichen Interesse, die Aufklärung dahingehend zu betreiben, ob und unter welchen Bedingungen Menschenleben hätten gerettet werden können oder anders ausgedrückt: Was hätte richtigerweise und anlassbezogen passieren müssen, um die Menschen im Ahrtal ausreichend zu schützen.

Wir stehen vor folgender Frage: War diese Jahrhundert- oder gar Jahrtausend-flut mit all ihren Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt einfach Schicksal? Oder muss nicht das Interesse darauf gelenkt werden, dass auch in schicksalhaften Geschehnissen menschliche Fehler dazu beitragen, dass Personen an Leib und Leben zu Schaden kommen?

Egal, wie gut oder schlecht Warnketten funktioniert haben: Sachschäden sind im großen Umfang bei solch einer Flut nicht zu verhindern. Private und öffentliche Infrastruktur wie betroffene Häuser, Straßen, Bahnlinien, waren nicht zu retten. Aber können wir wirklich nach allem, was wir in Erfahrung gebracht haben, was betroffene Menschen geschildert haben, davon ausgehen, dass tat-sächlich auch alles unternommen wurde, um Leib und Leben in letzter Konsequenz zu schützen?
Ist in dieser Katastrophe am 14. und 15. Juli, aber auch an den Tagen zuvor, als bereits die ersten Warnungen eingingen, wirklich alles einwandfrei abgelaufen? Hatten die Einsatzkräfte vor Ort, die Krisenstäbe und technischen Einsatzleitungen an den schlimmen Tagen ein vollkommenes Lagebild oder muss-ten sie nahezu in Blindheit durch die tatsächliche Lage gehen? Gibt es für diese Blindheit, die meist die ehrenamtlichen Einheiten vor Ort durchleben mussten, eine klare politische Verantwortung?

Diese Verantwortung ist vielfach nicht persönlich, sie ist aber dem jeweiligen politischen Amt immanent und kann auch davon nicht losgelöst gesehen werden. Anders ausgedrückt: Weder von Landesebene auf die kommunale Ebene, noch von der hauptamtlichen Ebene vor Ort hin zu den Ehrenamtlichen, kann Verantwortung verschoben werden, die im eigenen Amt inne liegt.
Politische Verantwortung ist nicht delegierbar!

Wir haben uns schlussendlich auch die nötige Zeit gelassen, die für die Hinweisführung notwendig war, um diesen Ausschuss anzukündigen und jetzt auch in die parlamentarische Debatte zu bringen.

Zum Einsetzungsantrag im Einzelnen:

Wir möchten untersuchen:

– Welche Informationslagen vom 10.07. – 13.07. im Vorfeld der Katastrophe vorhanden waren und wie diese bewertet wurden und welche Hand-lungen, Warnungen und sonstige Maßnahmen daraus abgeleitet wurden.

– Welche Entscheidungen am 14. und 15. Juli getroffen wurden und welche Handlungen, Warnungen und sonstige Maßnahmen erfolgt sind.

– Wie ab dem 16.07. bis zur Einsetzung des Vor-Ort-Beauftragten am 06.08. die Katastrophenbewältigung organisiert und praktisch wahrgenommen wurde.

– Dazu auch die Frage, ob es dabei zu Fehlern, Versäumnissen, Pflichtverlet-zungen oder Unterlassungen sowie Überlastungen gekommen ist, wie sich das im Einzelnen darstellt, welche Folgen das ggf. hatte und wer dafür die politi-sche Verantwortung trägt.

– Alle Punkte betreffen die Landesregierung, ihre nachgeordneten Behörden sowie alle sonstigen öffentlichen Stellen inkl. der kommunalen Ebene!

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